Auf dem Gelände der Wassergewinnung in Essen haben das Team Geomonitoring der RAG Aktiengesellschaft (RAG), die ALLSAT GmbH und das Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster der Stadt Essen im Jahr 2022 das weltweit erste InSAR-Testfeld zur Prüfung, Skalierung, Kalibrierung und Validierung von relativen Bodenbewegungen aus radar-interferometrischen Auswertungen (InSAR) errichtet.
Satellitengestützte Radarinterferometrie
Die satellitengestützte Radarinterferometrie ist als Verfahren zur großflächigen Bodenbewegungserfassung etabliert. Die Radarsatelliten umkreisen die Erde auf polnahen Umlaufbahnen (Orbit) und senden dabei rechtsblickend zur Flugrichtung permanent Radarpulse aus, deren Rückstrahlung wiederum empfangen und ausgewertet wird. Bewegt sich der Satellit vom Nordpol in Richtung Südpol (absteigender/descending Orbit), werden die Radarpulse von Osten nach Westen gesandt. In umgekehrter Richtung, also vom Südpol zum Nordpol (aufsteigender/ascending Orbit), strahlen die Radarimpulse von Westen nach Osten. Aus einem Stapel von ca. 30 Radarszenen pro Orbit erfolgt dann die InSAR-Berechnung, wobei aus unterschiedlichen Laufzeiten der Radarpulse eine relative Streckenänderung in Blickrichtung (Line Of Sight, LOS) für die Aufnahmezeitpunkte ermittelt wird. Aus der Orbitgeometrie und dem Blickwinkel wird somit für jeden Rückstrahler die Höhenänderung bestimmt. Aus den Ascending und Descending Radarszenen werden korrespondierende Rückstrahler (Persistent Scatterer, PS) ermittelt. Im letzten Auswertungsschritt, der sogenannten Dekomposition, werden die gemessenen Bewegungen der PS in die resultierenden Bewegungen der Lage- und Höhenveränderung umgerechnet.
Besonders markante PS auf der Erdoberfläche, sind jene Punkte, die eine hohe Reflektanz der Radarimpulse aufweisen. Je höher die natürliche, also durch die Örtlichkeit bedingte, Radarrückstrahlung eines Punktes ist, desto besser kann dieser als PS identifiziert und deren Höhen und Lageveränderung ermittelt werden. Dieses Prinzip wird von sogenannten Corner-Reflektoren (CR) genutzt, um künstlich, durch eine bestimmte geometrische Bauart, eine besonders hohe Radarreflektanz zu erhalten. Die aus einem CR resultierenden PS sind in besonderem Maße in den Radarszenen sichtbar und ermöglichen eine hohe Genauigkeit der erhaltenen Bewegungsbestimmung. Ein Doppel-Corner-Reflektor (DCR) ist ein CR, der durch seine geometrische Bauart sowohl die Ascending, als auch die Descending Radarimpulse reflektiert.
Zusätzlich sind die PS von CR und DCR terrestrisch bestimmbar. Beispielsweise eine auf dem DCR installierte, stationäre GNSS-Antenne verwendet, um die 3D-Position zusätzlich permanent zu bestimmen. Die Lage aus den GNSS-Daten wird wiederum zur Skalierung und Modellierung der InSAR-Prozessierung genutzt. Ein Standort mit einer festen GNSS-Station, einem CR oder DCR, Nivellementpunkten (Höhenbolzen) sowie Meteo-Sensoren wird als Multisensorstation (MSST) bezeichnet.

Die Motivation für die Einrichtung des Kalibrier- & Validierfelds ist, dass es bei schnellen und großen Bodenbewegungsraten zu Phasensprüngen (Mehrdeutigkeiten) in der InSAR-Auswertung kommen kann. Dies bedeutet, dass große Bewegungen ausschließlich auf der Basis von InSAR nicht identifiziert werden können. Es werden Referenzen aus anderen Messverfahren (bspw. GNSS oder Nivellement) benötigt.
Bild 2 zeigt das Testfeld mit der fest installierten permanenten GNSS-Station (WGE1) mit einem benachbarten festen Corner-Reflektor (CR1) für X-Band und C-Band Radarsatellitensignale mit Ausrichtung nach Osten für den descending Orbit (DESC). Außerdem einen manuell in der Höhe verstellbaren Corner-Reflektor (CR2, DESC, „1-Achser“) sowie einen manuell in Ost-West-Richtung und in der Höhe verstellbaren GNSS-Doppel-Corner-Reflektor (WGE2-DCR, „2-Achser“) mit Ausrichtung nach Westen (ASC) und Osten (DESC). Die Stationen sind mit Messpunkten versehen und werden monatlich per Tachymetrie und Nivellement lage- und höhenmäßig vom Vermessungsamt der Stadt Essen an das Lage- und Höhenvermessungsnetz angeschlossen. Die permanenten GNSS-Stationen sind in das SAPOS-Netz eingebunden und werden täglich im ALLSAT GLOMON-Portal bei der RAG prozessiert.
Über die festen Stationen erfolgt eine Kalibrierung der InSAR-Auswertungen und mit den verstellbaren Stationen eine Validierung der Bewegung in der InSAR-Auswertung.

Terrestrische Vermessung als Referenz
Zur Vergleichbarkeit verschiedener Messverfahren mit InSAR wurde es konstruktiv ermöglicht, den DCR WGE2 (Bild 3) in der Höhe und in der Ost-West-Richtung zu verstellen. Der CR2 (Bild 3) ist ausschließlich in der Höhe verstellbar. Mit einer Verstellung entsteht jeweils ein provozierter neuer IST-Wert. Die Erwartung ist, dass der entsprechende PS der InSAR-Auswertung (SOLL-Wert) dem jeweils neuen IST-Wert folgt.

Die manuellen Verstellungen am DCR WGE2 werden zeitgleich über tachymetrische Messungen zu vier Prismen auf den Ecken des DCRs erfasst, sodass ein SOLL-IST-Vergleich gegeben ist. Im Februar und Oktober sowie im April und August sind zwei weitere identische Positionen gegeben, die eine erste Selbstkontrolle ermöglichen. Die tachymetrisch bestimmten Positionen zeigen, dass der Einstellfehler bei ±1 mm liegt, was auch der „Closed Loop“ zeigt (Bild 4).

Permanente GNSS-Zeitreihen
Die GNSS-Stationen zeichnen permanent im 15-Sekunden-Takt GNSS-Beobachtungen auf. Ebenso liegen die GNSS-Daten der umliegenden SAPOS-Stationen vor. Die Daten werden als Tageslösungen im GLOMON-Portal von ALLSAT automatisiert prozessiert und dort als Zeitreihen ausgewertet. Bild 5 zeigt die dreidimensionalen Zeitreihen für die feste GNSS-Station WGE1 (lila), die verstellbare Station WGE2 (grün) und die Zeitreihe der ca. 4,2 km entfernten SAPOS-Station 2582 Essen in Rot.
Die Aufsicht in Bild 5 (links) zeigt in Grün die 5 mm Verstellungen des GNSS-DCRs. Es ist zudem erkennbar, dass es bei der SAPOS-Station 2582 (rot) im Jahresverlauf zu einer Bewegung von ca. 5 mm in der Lage kommt. Dies zeigt auch die korrespondierende Ost-West-Zeitreihe (Bild 5, rechts, obere Reihe). Diese Bewegungen finden sich spiegelsymmetrisch auch in den Zeitreihen für WGE1 und WGE2 wieder und zeigen, dass die SAPOS–Station einen Jahresgang in der Höhe von ca. ±5 mm aufweist. Die SAPOS-Station 2582 befindet sich auf einem Hochhaus, sodass sich hier wohl die Pfeilerdrehung und Ausdehnungsänderungen des Gebäudes im Jahresgang zeigen. Diese Bewegungen prägen sich aufgrund der Nähe also direkt auf die Positionen der GNSS-Antennen im Testfeld auf.

Die fest installierte GNSS-Antenne WGE1 zeigt eine gute Stabilität in der Lage von ca. ±3 mm.
Die manuellen Verstellungen in WGE2 sind sehr gut in der O-W Richtung erkennbar, die N-S Richtung weist eine Bewegung von -5 mm auf, die auf den Befestigungsschlitten zurückzuführen ist, der im Sommer 2024 stabilisiert wurde. Die Zeitreihen in der Höhe weisen, wie zu erwarten, eine größere Streuung auf und spiegeln für WGE1 und WGE2 die Bewegung der SAPOS-Station wider. In der ersten Jahreshälfte sind die Differenzwerte noch gut zu erkennen, im zweiten Halbjahr sind die Tagesmittelwerte der SAPOS-Station und somit auch der GNSS-Antennen im Testfeld stärker verrauscht. Trotz der höheren Streuung sind die Verstellwerte von 5 mm in WGE2 signifikant erkennbar.
Geobasis NRW und die Stadt Essen führen derzeit Gespräche, ob eine Möglichkeit besteht, die SAPOS-Station 2582 zum InSAR-Testfeld als Bodenpunkt in Verbindung mit einem großen TriCR zu verlagern.
InSAR
Für die InSAR-Auswertungen liegen die 3-Jahres-Zeitscheibenauswertungen der Sentinel-1 C-Band Radarsatellitendaten (SkyGeo) und der hochauflösenden TerraSAR-X/PAZ X-Band Radarsatellitendaten (TRE ALTAMIRA) vor. Die GNSS-Zeitreihen der SAPOS- und RAG-Stationen lagen zur Auswertung als Stütz- und Kontrollmessungen vor.
Der Vergleich zu den InSAR-Auswertungen erfolgt über die in Blickrichtung (Line Of Sight, LOS) der Radarsatelliten ermittelten Bewegungen, also Verschiebungen im Raum, da hier die höchste Auflösung vorliegt. Aus den LOS-Bewegungen werden die Bewegungskomponenten berechnet. Wenn eine Bodenbewegung zum Satelliten erfolgt, wird das als Hebung interpretiert, erfolgt die Bewegung vom Satelliten weg, wird das als Senkung interpretiert (siehe Bild 1, links). Für den DESC Orbit bedeutet es eine Hebung, wenn ein CR nach Osten und nach oben bewegt wird, eine Senkung, wenn ein CR nach Westen und nach unten bewegt wird. Für den ASC Orbit bedeutet die Bewegung nach oben eine Bewegung zum Satelliten, also eine Hebung, die Bewegung nach Osten führt vom Satelliten weg, also eine Senkung. Der hier verwendete „Closed Loop“ ist somit nur für den DESC Orbit signifikant. Aus diesem Grunde wird im Jahr 2024 ein in alle drei Richtungen verschiebbarer GNSS-TriCR auf dem Testfeld erstellt, um für beide Orbits signifikante Verstellungen zu erhalten („3-Achser“, siehe Bild 7).


Bild 6 (oben) zeigt die Sentinel-1 – C-Band InSAR-Auswertung von SkyGeo für den Zeitraum Januar 2021 bis Ende Februar 2024 mit der relativen Bewegung in LOS (DESC) für den Radarrückstrahler (Persistent Scatterer, PS) am GNSS-DCR WGE2. Hier ist der Zeitpunkt der Aufstellung im Juli 2022 sowie der Beginn der Verstellungen im Januar 2023 erkennbar. Ebenso in Bild 6 (unten), welches die LOS-Bewegungen am GNSS-DCR WGE2 aus TerraSAR-X InSAR-Auswertungen von TRE ALTAMIRA zeigt. Die LOS-Bewegungen im X- und im C-Band zeigen eine gute Übereinstimmung zueinander, sodass die unabhängig voneinander, aber mit Unterstützung des GNSS-DCRs durchgeführten InSAR-Auswertungen vergleichbare Ergebnisse in LOS liefern. Zum Abgleich mit den InSAR-Auswertungen werden die GNSS-Messungen derzeit in LOS (ASC, DESC) umgerechnet.
Ausblick
Aus den ASC und DESC Orbits werden über eine sogenannte Dekomposition aus den PS, mit einer damit einhergehenden gröberen Auflösung, die 2D-Bewegungsanteile in der Höhe und in der Ost-West Richtung berechnet; sollte eine Nord-Süd – Bewegung vorliegen, ist diese Bewegungskomponente bisher nicht bestimmbar. Allerdings werden neue nord- und südblickende Radarsatelliten-Konstellationen mit äquatorialem (verschränktem) Orbit bald die dritte Blickrichtung für echtes 3D-InSAR liefern (z.B. CHORUS – Konstellation, MDA). Aus diesem Grunde werden alle neuen Corner-Reflektoren für RAG als Triple-Corner-Reflektor (TriCR) mit einem dritten Reflektor-Sektor im Süden gefertigt, um „CHORUS-ready“ zu sein. Zu diesem Zweck wird im Jahr 2024 ein in drei Richtungen verstellbarer GNSS-TriCR („3-Achser“) auf dem Gebiet der Wassergewinnung der Stadt Essen errichtet. Bild 7 zeigt den „3-Achser“ (links) und den „Closed Loop“ (rechts) mit Verstellwerten von monatlich 5 mm sowohl in O-W, N-S und in der Höhe, die in dieser Größenordnung auch für ASC und DESC signifikant sein wird. Mit dem „3-Achser“ wird erwartet, dass sich dann auch die N-S Komponente von 3D-Bodenbewegungen in der InSAR-Auswertung skalieren lässt.

Wir bedanken uns bei Volker Spreckels und Martin Krückhans für die Erstellung des Artikels.
Autoren: Volker Spreckels (RAG Aktiengesellschaft), Martin Krückhans (Stadt Essen), Michael Schulz & Florian Schäfer (ALLSAT GmbH)