Monitoring mit MEMS– Ein technologisch neuer Ansatz

Das Thema „Marode Brücken“ gerät in (un-)regelmäßigem Abstand immer wieder in den Fokus der Nachrichten.
Nicht nur Katastrophen wie der Brückeneinsturz in Genua am 17. August 2018 spielen dabei eine Rolle, wenn dies auch ein besonders spektakuläres und tragisches Beispiel struktureller Schwächen moderner Verkehrsinfrastruktur und hier insbesondere der Brücken war.
Als grundlegende Ursachen dafür gelten generell die häufig überalterte Bausubstanz sowie der massiv zugenommene Schwerlastverkehr. Dieser wurde beim Bau der meisten Brücken nicht einkalkuliert. Mit steigender Aktualität und Dringlichkeit der Thematik nimmt die Bedeutung eines Geomonitorings zur Überwachung von Bewegungen und Deformationen weiter zu. Neben den eher kostenintensiven geodätischen Sensoren wie beispielsweise einem Tachymeter oder hochpräzisen GNSS-Empfängern bilden auch Low-Cost-Sensoren eine interessante Möglichkeit, Brückenbauwerke zu überwachen. Die ALLSAT hat sich aufgrund dessen dem Thema “Monitoring mit MEMS” zugewendet. 

MEMS-Sensoren zur Genauigkeitsüberprüfung auf einem präzisen Shaker

MEMS-Sensoren zur Genauigkeitsüberprüfung auf einem präzisen Shaker

Vorstellung des Projekts

In einem von der ZIM-Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie geförderten Projekt ging es darum, die grundsätzlich Nutzbarkeit solcher Sensoren für das Monitoring zu untersuchen. Ziel war es dabei, mikroelektromechanische Systeme (MEMS) für die Detektion von schädigungsrelevanten Bauwerksparametern auf ihre Tauglichkeit hin zu prüfen. Anschließend ein kommerziell nutzbares kostengünstiges Monitoringsystem zu entwickeln und diese zukünftig möglich breit einzusetzen. Das System von den Projektpartnern ALLSAT GmbH und Geodätisches Institut der Leibniz Universität Hannover (GIH) entwickelt. Das Projekt begann im Jahr 2016 und wurde nach einer Laufzeit von 2,5 Jahren im März 2019 offiziell aus der Förderung entlassen, ist jedoch nach dem erklärten Willen der Projektpartner noch nicht beendet.

Das Sensorsystem besteht derzeit aus einem Master-Sensor und 3 Slave-Sensoren, deren Kern jeweils ein dreiachsiger Beschleunigungssensor aus dem Einsatzgebiet der Automobilindustrie ist. Diese finden in großen Stückzahlen zu niedrigen Preisen in aktuellen Fahrzeugen Anwendung. Die derzeitige Hard- und Softwarekonfiguration ermöglicht Messungen mit einer Frequenz von 100 Hz. Die Slaves sind an den Master angeschlossen, über den die Kommunikation sowie die Stromversorgung realisiert ist.

Durchführung verschiedener Testszenarien

Die MEMS-Sensoren wurden kalibriert und der Einfluss von atmosphärischen Parametern überprüft. Neben den statischen Testszenarien innerhalb und außerhalb eine Klimakammer, wurden Messungen unter Laborbedingungen zur Bestimmung und Bewertung der Schwingfrequenzen mit einem hochpräzisen Shaker durchgeführt.

Testmessungen des Monitoringsystems am realen Objekt

Testmessungen am realen Objekt

Neben zahlreichen Messungen unter Laborbedingungen wurden die Sensoren an einer ca. 27 m langen Fußgängerbrücke der Leibniz Universität Hannover installiert. Schwingungen wurden durch Impulse mit einem Modalhammer und durch kontrollierte Überquerung von Fußgängern ausgelöst. Die Ergebnisse wurden sowohl mit den Ergebnissen hochwertiger Sensoren des Geodätischen Instituts sowie des Instituts für Massivbau (IfMa) verglichen. Als zusätzlicher Referenzwert wurden Berechnungen der ursprünglichen Brückenstatik hinzugezogen. Dabei wurde jeweils eine hohe Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Ergebnissen festgestellt. Die Auswertung zeig die grundsätzliche Tauglichkeit des Verfahrens für ein Monitoring mit MEMS.

In Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) erfolgten weitere Messungen an einer von dort zur Verfügung stehenden Teststruktur. Diese ermöglichte es, neben der Induktion unterschiedlich starker Impulse auch die Vorspannung der Teststruktur zu variieren. So war die Simulation von Brückenschäden möglich und die Auswirkungen auf die Messwerten der MEMS-Sensoren zu bewerten. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen die grundsätzliche Tauglichkeit des Systems für die anfangs skizzierte Zielsetzung. Sie legen jedoch weitere Untersuchungen zum Potential dieses Entwicklungssystems nahe.

Im weiteren Schritt gilt es, das Verfahren mithilfe eines Infrastrukturbetreibers in einer Langzeitbeobachtung zu verifizieren und zu evaluieren. Für eine Dauermessung ist eine Brücke mit Referenzsensoren anderer Monitoringverfahren vorgesehen. Insbesondere um die atmosphärischen Extrema in unseren Breiten zu erfassen und über einen längeren Zeitraum Erfahrungs- und Vergleichswerte zu sammeln, sind Messung, Auswertung und interdisziplinäre Interpretation gemeinsam mit Fachleuten und Praktikern des Brückenbaus für einen Zeitraum von ≥1 Jahr in Vorbereitung. Das spannende Forschungsprojekt hat den Mitwirkenden gezeigt, dass ein Monitoring mit MEMS möglich und zielführend ist.

Monitoring mit MEMS - Testphase bei der BAM in Berlin

Testmessung mit einem Laserscanner bei der BAM in Berlin