Was ist eine Multisensor-Referenzstation?

Vom Bedarf über die Idee zur Realisation
Ein Text von Volker Spreckels (RAG) und Florian Schäfer (ALLSAT)

Der Bedarf

Im Jahr 2018 gab es erste Gespräche der RAG Aktiengesellschaft
(RAG) mit dem Oberbergamt Saarland (OBA) und dem Landesvermessungsamt des Saarlands (LVGL) zur großflächigen Überwachung des Grubenwasseranstiegs an der Saar mit modernen Verfahren. Dafür sollen radarinterferometrische PSI-Auswertungen mit Daten der Sentinel-1A/B Satelliten erfolgen, um diese dann in dem Saarländischen Bodenbewegungskataster SaarBoBeKa zu führen. Es folgte eine enge Kooperation zur gemeinsamen Entwicklung von Multisensor-Referenzstationen (MSST). Eine MSST besteht aus einem Doppel-Cornerreflektor (CR) für die InSAR-Prozessierung und einer permanten GNSS-Station zum Einbinden in das SAPOS-Netz. Gemeinsam mit Nivellementpunkten im Doppel-CR und im Fundament ermöglicht dies den hochgenauen Anschluss an das Landeshöhennetz.

Planskizze_RAG-MSST_Seitenansicht
Planskizze_RAG-MSST_Seitenansicht
Planskizze_RAG-MSST_Aufsicht
Planskizze_RAG-MSST_Aufsicht


Eine weitere Verwendung des mit sechs MSST der RAG und fünf MSST des LVGL verdichteten Beobachtungsnetzes liegt in der Passpunktmessung, der Registrierung der Bildmitten und ALS-Punkten bei jährlichen kombinierten hochauflösenden Befliegungen von Nachbergbaubereichen.
Sie dienen der bestmöglichen gegenseitigen Positionierung der terrestrischen und fernerkundlichen Daten zur Ableitung von präzisen digitalen Höhenmodellen (DHM) sowie digitalen Geländemodellen
(DGM) für das Tagesgeschäft der RAG.


Es geht dabei um die Schaffung eines erschwinglichen und robusten Messpunkts für alle Messverfahren. Dazu gehört ein Doppel-CR aus 1 cm Edelstahlblech mit sieben Messpunkten, fähig, alle aktuellen und künftigen
Radarsatellitendaten im X-, C- und L-Band zu georeferenzieren, bei einer absoluten Lage- und Höhengenauigkeit um ± 1 cm für alle Sensoren.


Die Idee

GLOMON-Portal: Koordinatenzeitreihen aus Post-Processing mit WaPNet
GLOMON-Portal: Koordinatenzeitreihen aus Post-Processing mit WaPNet

Die Umsetzung


Die Doppel-CR wurden nach den Planskizzen bei Maschinenbau
FELD in Oer-Erkenschwick gebaut. Der Prototyp wurde ein Jahr lang am RAG-Standort Duhamel für umfangreiche InSAR- und GNSS-Messungen getestet.
Die Bauarbeiten zu den MSST werden durch den Bereich Nachbergbau der RAG vor Ort koordiniert, die Vermessungsarbeiten (Absteckungen, Einmessung beim Betonieren und Setzungsmessungen) führt die CADWerkstatt aus Quierschied durch.
Die GNSS-Infrastruktur wird von der ALLSAT aus Hannover aufgebaut und betrieben, die radarinterferometrischen Auswertungen und die GNSS-Einbindung führt das LVGL durch.

GLOMON-Portal: Übersichtskarte mit SAPOS-Stationen und MSST-Standorten
GLOMON-Portal: Übersichtskarte mit SAPOS-Stationen und MSST-Standorten


Der Betrieb

Die GNSS-Messdaten werden gemeinsam mit den Daten der Meteo-Sensoren an das Webportal GLOMON der ALLSAT übermittelt. GLOMON steuert voll automatisiert alle notwendigen Schritte von der Rohdatenkonvertierung über die Prozessierung der GNSS-Daten,
flexibel mit unterschiedlichen Softwarelösungen, bis hin zur Darstellung der Ergebniszeitreihen. Die MSST im Saarland werden dabei in einem Netz mit den SAPOS-Stationen des LVGL mit der GNSS-Software WaSoft (WaPNet) ausgewertet.
Für die Zukunft soll dann dafür eine gemeinsam mit der GEOTEC GmbH entwickelte dynamische Netzausgleichung Anwendung finden. Diese revolutioniert die übliche Annahme des stabilen Referenzrahmens
für geodätische Monitoringaufgaben, indem während des Monitoringprozesses verschobene Referenzpunkte detektiert und für diese zeitvariante Koordinaten eingeführt werden. Für diese Aufgaben wurde das Programmsystem PANDA der GEOTEC in GLOMON integriert und weiterentwickelt.


Umsetzung in NRW für den Bereich Ruhr

In NRW wird seitens Geobasis NRW bis Ende 2021 ein Bodenbewegungskataster aufgebaut. Auch hier findet ein enger Austausch zwischen RAG und Geobasis NRW statt.
RAG plant für eigene Anforderungen in NRW, neun MSST in den Jahren 2021/2022 in Betrieb zu nehmen.