Hochgenaues Sondernetz für den Südschnellweg

Im Zuge des Projektes B3|Südschnellweg in Hannover wurde die ALLSAT mit der Herstellung eines Sondernetzes durch die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) beauftragt. Bei dem äußerst interessanten und anspruchsvollen Projekt kamen verschiedene Messverfahren zum Einsatz. Diese wurden mittels einer Netzausgleichung kombiniert, sodass am Ende ein hochgenaues Sondernetz für zukünftige baubegleitende Vermessungen bestimmt werden konnte.

Der Südschnellweg in Hannover

Der im Süden Hannovers verlaufende Südschnellweg ist sowohl für den Großraum Hannover als auch überregional von großer verkehrlicher Bedeutung. Als leistungsfähige Ost-West-Tangente zwischen der A2 und der A7 garantiert er die Anbindung an das übergeordnete Autobahnnetz und somit an die angrenzenden Metropolregionen. Der Südschnellweg entstand ab 1954 und ist seitdem die einzige leistungsfähige Ost-West-Verbindung im Süden Hannovers. Mit zwei Fahrstreifen je Richtung wird er täglich von mehreren zehntausend Fahrzeugen genutzt; der Schwerverkehrsanteil liegt bei etwa sechs Prozent.

Der Südschnellweg wird auf einem ca. 3,8 km langen Streckenabschnitt zwischen dem Landwehrkreisel und den Bahnbrücken vor dem Seelhorster Kreuz modernisiert. Damit umfasst der Bauabschnitt den Kreuzungsbereich Hildesheimer Straße / Willmerstraße und insgesamt acht Brückenbauwerke, unter anderem über die Leine und die Leineflutmulde. Die Brückenbauwerke sind mittlerweile rund 70 Jahre alt und müssen aufgrund von Materialübermüdung und Überlastung durch den heutigen Verkehr ersetzt werden. In diesem Zuge wird auch die Verkehrsanlage, welche den Sicherheitsstandards der 1950er-Jahre aufweist, auf den heutigen Stand der Sicherheitstechnik angepasst.

Im Bereich Hildesheimer Straße und Willmerstraße wird der modernisierte Südschnellweg in einem innerstädtischen Tunnel verlaufen, im westlichen Projektbereich verläuft er über neue, aufgeweitete Brückenbauwerke. Da die bestehenden Brückenbauwerke entlang des Südschnellwegs in den nächsten Jahren das Ende ihrer Restnutzungsdauer erreichen werden, ist die rasche Erneuerung von großer Bedeutung. Insbesondere die Brücke über der Hildesheimer Straße (L 393) ist hiervon betroffen – sie ist seit 2013 nur noch auf einer Spur pro Richtung nutzbar. Zudem ist hier die Situation wegen der unmittelbaren Nähe zur Wohn- und gewerblichen Bebauung sowie wegen der Stadtbahntrasse besonders problematisch. Der neue Tunnel wird das Brückenbauwerk ersetzen und für eine deutliche Entlastung der Anlieger führen (Quelle: NLStBV).

Die Brücke über die Hildesheimer Straße im Zuge des Südschnellweges
Abb. 1: Die Brücke über die Hildesheimer Straße im Zuge des Südschnellweges (Quelle: NLStBV).

Einsatz verschiedener Messverfahren

Das zu bestimmende Sondernetz befindet sich im Bereich Hildesheimer Straße / Willmerstraße (Abb. 1). Dort sollen ein Tunnel und zunächst ein Behelfsbauwerk zur bauzeitlichen Aufnahme des Verkehrs realisiert werden. Das Sondernetz besteht aus 14 Vermessungspfeilern (Abb. 2) und einigen bodengleichen Höhenfestpunkten. Dieses Netz sollte zum einen tachymetrisch gemessen werden, um die Lage der Zapfen auf den Vermessungspfeilern zu bestimmen. Zum anderen galt es, die Höhenbolzen an den Vermessungspfeilern sowie die Pfeilerkopfabschlussplatten durch ein Präzisionsnivellement zu bestimmen. Eine Herausforderung bestand darin, dass als Bezugssystem das während der planungsbegleitenden Vermessung 2014 verwendete ETRS89/UTM beibehalten werden sollte. Das Sondernetz sollte jedoch als lokales Netz mit Maßstab 1 ausgeglichen werden. Deshalb wurden für die Lagerung des Netzes vier zentrale Vermessungspfeiler zusätzlich mit GNSS bestimmt. Die Genauigkeitsanforderungen an das Sondernetz betrugen 3 mm für die Lage und 2 mm für die Höhe.

ALLSAT Mitarbeiter Dr. Jens Hartmann bei der tachymetrischen Netzmessung auf einem Pfeiler des Sondernetzes
Abb. 2: ALLSAT Mitarbeiter Dr. Jens Hartmann bei der tachymetrischen Netzmessung auf einem Pfeiler des Sondernetzes

Tachymetrische Netzmessung

Eine tachymetrische Netzmessung im innerstädtischen Bereich birgt hinsichtlich der Sichtverbindungen zwischen den Vermessungspfeilern einige Herausforderungen. Zahlreiche öffentliche und private Parkplätze wurden von der NLStBV für die Tage der Messung im Vorfeld gesperrt, Verkehrsschilder abgebaut und Lärmschutzwände entfernt. Der ein oder andere temporäre Zwischenpunkt ließ sich dabei nicht vermeiden. Zudem fanden die Vermessungsarbeiten zu verkehrsberuhigten Zeiten am Wochenende statt. Da alle verfügbaren Sichten unter Zwangszentrierung gemessen werden sollten, war einiges an Vorplanung für die Messkampagne nötig.

Präzisionsnivellement

Neben der tachymetrischen Satzmessung (Lagebestimmung) erfolgte eine Höhenbestimmung der vermarkten Bolzen an den Vermessungspfeilern und der Pfeilerkopfabschlussplatte durch ein Präzisionsnivellement. Zusätzlich sollten einige vorhandene bodengleichen Höhenfestpunkte nivelliert werden. Der Nivellementszug wurde als Schleife im Förstner-Verfahren (RVVR) mit einem Leica-Nivellier LS15 durchgeführt. Eine weitere Herausforderung bestand darin, die teilweise sehr hohen Pfeilerkopfabschlussplatten präzise zu bestimmen. Da hier der Einsatz der ansonsten verwendeten 3 m Invar-Nivellierlatten nicht infrage kam, wurde ein 60 cm Invar-Maßstab verwendet. Das eingesetzte starre Stativ für das Nivelliergerät ließ keine Höhenveränderungen zu, sodass ein sorgsam ausgewählter, ausreichend hoher Standpunkt für das Instrument oftmals enorm wichtig war. Damit gelang es, die Pfeilerkopfabschlussplatten als Zwischenblicke zu erfassen. Am Ende der knapp 3 km langen Nivellementschleife freute sich das Team der ALLSAT-Ingenieure über einen Abschlussfehler von nur 0,04 mm (Abb. 3).

Das Team der ALLSAT freut sich über den gelungenen Nivellementszug
Abb. 3: Das Team der ALLSAT freut sich über den gelungenen Nivellementszug

Neben der Vermessung der Pfeiler war die ALLSAT zusätzlich damit beauftragt, zahlreiche Höhenbolzen in die an die Baustelle angrenzenden Gebäudefassaden einzubringen und höhenmäßig zu bestimmen. Diese Aufgabe wurde mit einem weiteren Nivellementszug umgesetzt.

GNSS-Messung

Für die Lagerung des Sondernetzes wurden vier Vermessungspfeiler mittels GNSS statisch über einige Stunden beobachtet. Die aufgezeichneten Rohdaten wurden später gemeinsam mit GNSS-Daten SAPOS-Station Hannover mit WaSoft prozessiert.

Statische GNSS-Beobachtung eines Vermessungspfeilers mit einem JAVAD Triumph-3
Abb. 4: Statische GNSS-Beobachtung eines Vermessungspfeilers mit einem JAVAD Triumph-3

Netzausgleichung

Die Auswertung der tachymetrischen Lagemessung erfolgte als freie Netzausgleichung mit der Software PANDA. Dabei dienten die mittels GNSS bestimmten Punkte als Datumspunkte. Die Tachymeter-Messungen wurden eingelesen, bereinigt und die reduzierten Mittel aus den Beobachtungen erstellt. Anschließend konnte die Ausgleichung mit Maßstab 1 erfolgen. Es zeigten sich Standardabweichungen für die Lage im Bereich von 1 mm. Das Sondernetz konnte demnach mit einer sehr hohen inneren Netzgenauigkeit bestimmt werden.

Abb. 5: Grafische Darstellung des ausgeglichenen Netzes mit Konfidenzellipsen aus PANDA

Das Projekt stellte eine interessante und anspruchsvolle vermessungstechnische Aufgabe dar, da verschiedene Messverfahren kombiniert zum Einsatz kamen. Die ALLSAT bedankt sich für die gute Zusammenarbeit mit der NLStBV und freut sich auf weitere gemeinsame Projekte.


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Florian Schäfer

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